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Ansprache eines Bücherwurms

Der Kakerlak nährt sich vom Mist,
Die Motte frißt gern Tücher,
Ja selbst der Wurm ist, was er ißt.
Und ich --- ich fresse Bücher.

Ob Prosa oder Poesie,
Ob Mord- ob Heldentaten-
Ich schmause und genieße sie
Wie einen Gänsebraten.

Ich bin ein sehr belesener Herr,
Nicht wie die anderen Viecher!
Daß Bücher bilden, wißt auch ihr,
Und ich--- ich fresse Bücher.

Die Nahrung, sie behagt mir wohl,
Verleiht mir Grips und Stärke.
Was andern Wurst mit Sauerkohl,
Das sind mir Goethes Werke.

Ich fraß mich durch die Literatur
So mancher Bibliotheken;
Doch war‘n das meiste, glaubt es nur,
Bloß elende Scharteken.

Das Bücherfressen macht gescheit.
So denken sich`s die Schlauen.
Doch wer zuviel frißt, hat nicht Zeit,
Es richtig zu verdauen.

Drum lest mit Maß, doch lest genug,
Dann wird`s euch wohl ergehen.
Bloß Bücher fressen macht nicht klug!
Man muß sie auch verstehen.

Mascha Kalekó